Von der Strickmaschine zum Motorrad

Vor über 150 Jahren im Jahre 1862 gründete der aus dem französischen Troyes stammende Charles Terrot zusammen mit dem Kaufmann Wilhelm Stücklen in Cannstatt bei Stuttgart die Firma Terrot zur Herstellung von Textilmaschinen. Das Unternehmen stellte sehr erfolgreich speziell Rundstrickmaschinen her. Diese Firma existiert heute noch als weltweit exportierender Betrieb für Textilmaschinen, wobei der Standort inzwischen Chemnitz ist.

Wahrscheinlich aus Sehnsucht zu seiner französischen Heimat gründete Charles Terrot ab 1890 in Dijon eine Filiale für die Textilmaschinenproduktion.
Da dieses Unterfangen nicht besonders Gewinn bringend war, wurde dem Trend der Zeit entsprechend die Produktion von Fahrrädern mit sehr großem Erfolg begonnen. Die Leitung der Filiale übertrug er seinem Sohn Charles Terrot und seinem Schwiegersohn Wilhelm Duttlinger. Nebenbei wurde auch noch wie bei vielen anderen Fahrradfirmen die Produktion von Schreibmaschinen aufgenommen. Der erste Katalog erschien im Jahre 1893 und zeigt schon Räder von höchster Qualität.
Schaut man sich allein die Konstruktion der Bremsen an, die dort bereits vor über einhundert Jahren verwendet wurden, wundert es schon, dass hierzulande in den 1960-er Jahren
noch Stempelbremsen verbaut wurden.

 

In einem Prospekt von 1914 wird schon sehr genau die Funktion von Terrot-Backenbremsen beschrieben.

In großen Stückzahlen wurden bei Terrot in Dijon zunächst Fahrräder produziert.

Zur Jahrhundertwende startete die Produktion von motorgetriebenen Fahrzeugen. Die Voiturette mit De-Dion-Motor sowie Dreiradfahrzeuge setzten sich leider auf dem Markt nicht durch.
Zu dieser Zeit übergab Charles Terrot senior die Firma – die sich forthin Terrot & Ci nannte – an seine Söhne und Schwiegersöhne. Jetzt begann auch die Produktion der motorisierten Zweiräder namens „Motocyclette“ – ausgestattet mit Givaudan-, Bruneau- und Zedel-Motoren, die durch Zweizylindermodelle ergänzt wurden. Die Zeit der „Motorettes“ – hauptsächlich mit Motoren von Dufaux und Zedel – war der Übergang zur Motorradproduktion.

In den frühen 1910er Jahren gab es gute Entwicklungen im Fahrrad und Motorradbereich.Gangschaltungen, Kupplungen und Federungen erweiterten den Fahrkomfort. Die gesamte Modelpalette wurde erweitert, aber Terrot lag zu dieser Zeit noch weit hinter den Produktionszahlen des Konkurrenten Peugeot.

Mit Beginn des Ersten Weltkriegs wurde die Produktion der robusten Zweizylindermodelle für militärische Zwecke hochgefahren. Wegen der deutschen Wurzeln der Schwiegersöhne von Charles Terrot wurde die Firma vorübergehend unter militärische Verwaltung gestellt.
Die größte Entwicklung machte Terrot direkt nach dem Krieg. Nach einem Übernahmeversuch durch die Societe Lyonaise an der auch Magnat Debon beteiligt war, entstand die Gesellschaft Etablissement Terrot. Fortan wurden unter dem Namen Magnat Debon baugleiche Maschinen hergestellt. Durch diese Neuorientierung wurde Terrot zum größten Zweiradhersteller Frankreichs.

Neben Zweitaktern wurden ab 1923 auch Viertakter angeboten.
Den Beginn machte man mit einem SV-Einbaumotor von JAP im Modell GT. Der große Erfolg der robusten englischen Motoren setzte sich in
der H-Reihe mit 350er Motoren und in der N-Reihe mit 500er Motoren durch und wurde durch eigene SVund
OHV-Ventilsteuerungen gleicher Bauart ersetzt.
Diese Modellreihen wurden zwar immer wieder modernisiert aber in nahezu unveränderter Bauweise bis in die 50er Jahre gebaut.

Coupes Motolegende F05
Magnat Debon

Große Rennerfolge und eine moderne Fabrik mit bis zu 1800 Mitarbeitern sowie weltweit 3000 Agenturen verstärkten den guten Ruf des mittlerweile marktführenden Unternehmens.
Ab Anfang der 1930er Jahre wurden wieder großvolumige V-Motoren für die zivile Nutzung gebaut.
Für die nach Beginn des Zweiten Weltkrieges benötigten Militärmaschinen lieferte Terrot viele der robusten 350er und 500er Solomaschinen.

Die großen Gespanne wurden von Monet Goyon geordert aber teilweise auch als baugleiche Typen bei Terrot gefertigt. Nach Kriegsende wurde die zivile Produktion der bewährten 350er und 500er Modelle um viele Typen ab 125 ccm sowie Motorroller und Mopeds ergänzt.

Das allgemeine Motorradsterben machte auch vor dem Marktführer Terrot nicht halt, der in seiner rund siebzigjährigen Produktionszeit über 600 000 Motorräder gebaut hat. So wurde die eigene Produktion 1958 aufgegeben und Teile von Peugeot übernommen.

In Frankreich kümmert sich neben mehreren kleinen Clubs der „Terrot Club de France“ um den Erhalt der Marke sowie um die Unterschutzstellung der noch bestehenden Fabrikgebäude in Dijon.

Klaus Hassels vor dem ehemaligen Fabrikgelände